noch unbekannt. OP - Licht, sterile Handschuhe, Mundschutz,
oder gar eine hübsche Assistentin fehlen na- türlich
auch. „Des hamma glei.“ ,ver- spricht der Bader
„Ah, ahh, ahhh!“ kommentiert sein gepeinigter
Pat- ient, der in Erwartung, der schmerz- haften Tortur seine
Augen zukneift. Die Zange fest im Griff, packt der Uni- versalheiler
die Schulter seines Kun- den und reist mit der Rechten den
faulen Zahn aus der übel riechenden Mundhöhle.
Mit
diesem eindrucksvollen Finale am Cordonhaus, endet die aktuelle
Stadt- führung „Bader, Pest und andere Pla- gen“.
Johanna Aschenbrenner tischt wieder interessante, unterhaltsame
aber auch tragische Begebenheiten aus der Chamer Geschichte
auf und wird dabei von neun Schauspielern unterstützt.
Dieses Mal auch mit im Boot Stadtarchivar Timo Bullemer. Während
der Planung des neuen Stücks hat er Verwertbares um das
Chamer Gesundheitswesen des 18 Jahrhunderts ausgegraben und
sich schließlich eine authentische Rolle im neuen Stück
auf den Leib schrei- ben lassen. Schauspieltalent auch bei
der Kulturreferentin Petra Jakobi, die gleich zu Begin der
Führung das Publikum warnt: „Die Stadt Cham hat
zwar eine Veranstalterhaftung, aber die gilt natürlich
nicht für Schäden aus dem 18. Jahrhundert. Also
Finger weg von allem, was geschäftstüchtige Quacksalber
feilbietet.“ Und prompt, als Johanna Aschenbrenner von
heil- kundigen Frauen jener Zeit berichtet, tauchen zwei Kräuterfrauen
auf und bieten Gesichtssalben und Liebes- zauber an. Ob der
Warnung ist man zurückhaltend. Auch gut gemeinte Ratschläge
der feschen Damen, ge- gen Zahnbeschwerden, hat ein Be-
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troffener
dankend abgelehnt. „Im Cha- mer Armenhaus, wurden zu
Pestzeit- en Verdachtsfälle weggesperrt und von Freiwilligen
versorgt. Nach der letzten Pestwelle 1713 bot das Ar- menhaus
ein Bild des Schreckens, alle „Bewohner“ waren
tot, man hat das Krankenlager einfach vergessen.“ Dramatisch
schildert Johanna Asch- enbrenner die Geschehnisse jener Tage,
bevor die Stadtführung den Schauplatz, das heutige Museum
Spur, besichtigt.
Die
„Brunnerin“, heilkundige Kräuter- frau, noch
immer sehr ergriffen vom grausigen Fund bittet die Besucher
herein. Sie ist nicht allein, eine gro- ße, schwarze
Gestalt mit weißer Schnabelmaske schreitet, Weihrauch
schwenkend, durch die Zimmer. Es ist Stadtarzt Dr. Erhard
alias Timo Bullemer. Ein Essigschwamm im Schnabel seiner Maske
soll Pestge- stank abhalten und ihn vor Ansteck- ung schützen.
Antibiotika wird erst zweihundert Jahre später entdeckt.
Auch
der Stadtarzt hat kein wirksam- es Rezept gegen die Zahnschmerzen
und schickt den Hilfesuchenden wei- ter. Die Gruppe macht
sich auf zum nächsten Schauplatz, wird aber am Biertor
von der Stadtwache gestoppt. Ein Passierschein von Dr. Erhard,
den Johanna Aschenbrenner vorweis- en kann bestätigt,
dass keiner der Zeitreisenden von der Pest befallen ist. Die
Wache macht den Weg frei. Das
spärliche Kerzenlicht vermag die klamme Gruft kaum zu
erhellen. Eine Gestalt, tief im Kapuzengewand ver- borgen
schreckt aus dem Gebet auf, als sich die neuzeitlichen Besucher
bedächtig nähern. Es ist Pater „Feli- zianus“
alias Alois Gammer, der sich hier, unter der Gerhardinger
Real-
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schule,
in das stille, morbide Grab- gewölbe zurückgezogen
hat. Eine Apparatur, die verdächtig an Alche- mie erinnert
steht hier auch aufge- baut. Abgefüllt in dünne
Gläser, braut der Pater ein wunderliches Lebens- elixier.
Im Selbstversuch hat er so manchen Trank auf seine heilende
Wirkung geprüft. Der Zahnkranke er- fährt jedoch
keine Linderung, nach- dem er vom Gebräu kostet. Etwas
benommen will er mit den Anderen nun zur Stadtapotheke.
Die
Apothekerin (Sabine Helbig) ist überrascht, denn so viele
Kundschaft zur abendlichen Stund scheint ein Glücksfall
zu sein. Das Interesse an Pillen, Salben und Tinkturen ist
aber äußerst verhalten, weshalb sie den Besuchern
droht, die Ladenpforte erst wieder zu öffnen nachdem
die Apo- thekenkasse klingelt. Ein Mittel ge- gen die bohrenden
Zahnschmerzen findet sich auch hier nicht, weshalb Johanna
Aschenbrenner letztlich den gesamten Tross zum „Bader“
führt.
Der
schließlich kann den armen Kerl von seinen Schmerzen
erlösen und bot, dem staunenden Publikum noch so manch
andere Dienstleistung an. Hautnah,
amüsant und authentisch, mit Spielwitz und interessanten
Ge- schichten zur Chamer Geschichte. Die lange Vorbereitung
hat sich ge- lohnt. Das Publikum honoriert den Aufwand, ist
froh um die medizin- ischen Errungenschaften unserer Tage
und das Glück, Karten für die begehrte Zeitreise
ergattert zu haben.
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