von Benjamin Franz-
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Das schlitternde Klassenzimmer - Nix für Angsthasen

27 Schüler aus Cham und Waldmün- chen wagten sich am Königssee mit einem Rennrodel in den Eiskanal. Flach auf zwei Kufen und nur wenige Zentimeter über dem Eis liegend, er- reichten die mutigen Mädchen und Buben bis zu 80 Stundenkilometer. Was genau auf die Schüler der Jo- hann - Brunner - Mittelschule zukam, als die sich für das Sportangebot Ro- deln entschieden haben, war wohl keinem so richtig bewusst. Eine rie-

 
Die Bahn ist frei
 
   
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sen Schlittengaudi im Schnee wird sich so mancher erhofft haben. Doch der reichliche Schnee in den vergan- genen Wintermonaten hätte das Ro- deltraining beinahe unmöglich ge- macht. Sportlehrer und Bezirks-Ob- mann für den Rodelsport in der Ober- pfalz Bernhard Weininger nutzt statt Kufen einen Rodel mit Rädern, auf dem man die grundlegende Technik üben kann. Ein Stück abschüssige, asphaltierte Strasse, auf der sonst der Busverkehr zur Schule rollt, ist dafür die ideale Rennstrecke. Die Chamer Rodler konnten also gut und gerne auf die weisse Pracht verzich- ten. Als Belohnung für den Trainings- fleiß hatte Weininger seinen Schülern
 
   
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eine Fahrt in der Kunsteisbahn am Königssee versprochen. So ein aus- sergewöhnliches Schulsportereignis ließen sich natürlich auch viele Eltern nicht entgehen und machten sich mit den Ganztagesklassen im Reisebus auf ins Berchtesgadener Land. Mit im Bus auch einige Schüler der Schwar- zachtal-Mittelschule Waldmünchen, die sich ebenfalls auf eine Fahrt in der Eisbahn vorbereitet hatten.

Die meisten kennen eine Kunsteis- bahn nur von Bildern oder aus dem Fernsehen. Da lag es nahe die lange Anfahrt für einen Schulungsfilm zu nutzen. Auf den Bildschirmen im Rei- sebus lief die Wintersport-Komödie „Cool Runnings“, Jamaikaner die als Bobpiloten für Furore sorgten. Mit viel Mut, Herz und Enthusiasmus kann man fehlende Praxis wettmachen, zumindest hatte der Film ein Happy- end. Ob auch die jungen Gäste aus Cham und Waldmünchen ein freudi- ges Ende erwarten durften, war dann beim ersten Anblick der imposanten Eisbahn für viele nicht mehr so ganz sicher. Da standen die Münder erst mal weit offen, als Rodler aus ander- en Schüler-Gruppen mit donnerndem Getöse durch den Eiskanal fegten.

Trotz des Trubels im Vorfeld der Bob- und Skeleton-WM wird es Schulklas- sen ermöglicht die Kunsteisbahn zu nutzen. Die Kontakte zu den Verant- wortlichen, die Berhard Weininger nach einem Lehrgang am Königssee seit Jahren pflegt, helfen natürlich auch und so können Chamer Schüler schon seit zwölf Jahren auf die fros- tige Hochgeschwindigkeitsstrecke. Natürlich wird nicht der gesamten 1,2 km lange Eiskanal bezwungen, dass

 
wäre auch zu gefährlich. Eigens für Schüler und mutige Gäste ist auf Höhe der berüchtigten „Schlangen- grube“ ein Starteinstig angelegt. Ab da kann man die Bahn auch ohne präzise Lenkmanöver bewältigen.

„Ihr dürft euch auf keinem Fall auf- richten!“ , schärft Weininger den Kin- dern ein. Der Schwerpunkt würde sich ungünstig verlagern und der Ro- del könnte umkippen. Passiert das trotzdem, kann auch nix passieren, denn hier herrscht natürlich absolute Helmpflicht. Nicht selten entscheiden sich Schüler, beeindruckt von der Kulisse, den Umständen und natür- lich der rasanten Geschwindigkeit die auf Kufen erreicht wird, dann lieber doch nur fürs Zuschauen. Für Nico Deml ist das keine Frage, der Schü- ler presst sich in sein rotes Gefährt und konzentriert sich auf die Laut- sprecheransagen der Bahnleitung. Auch wenn es keiner zugeben mag, das kollektive Muffesausen sorgt für ungewöhnlich präsente Ruhe unter den sonst so lebhaften Schülern. Die Bahn ist frei, die Lichtschranken der Zeitmessung sind aktiv. Auf das An- schupsen wird verzichtet. Nico nimmt schnell Fahrt auf.

Die erste S-Kurve ist überdacht. Dann folgt eine lange Gerade ins Freie. El- tern und Klassenkameraden haben sich da platziert um die Eispiloten anzufeuern. Die Stahlkufen donnern auf dem Eis, je schneller, je lauter. Der schmächtige Körper wird durch- gerüttelt. Dann saust Nico Deml in den Kreisel, eine liegende Achter- bahn. G-Kräfte lassen da einen voll- besetzten Bob an der hochgezogen- en Kurvenwand empor steigen. Nach

 
der schier endlosen Rechtskurve öff- net sich die Bahn wieder und ist auf der kurzen Geraden von beiden Sei- ten einsehbar. Nach einem letzten Rechts-Links-Wechsel hat Nico es dann auch schon fast ge- schafft. Am tiefsten Punkt der Talfahrt verläuft die Kunsteisbahn nach einer langen Kur- fe den Berg wieder hoch, um den Vorwärtsdrang der Eispiloten auf na- türliche Weise zu zügeln. Am Auslauf sieht Ingo Fröhlich, ebenfalls eine Lehrkraft aus Cham, nach dem Rech- ten. Aufgekratzt und euphorisch stei- gen die Buben und Mädchen wieder vom Gefährt. Viele, von einer tonnen- schweren Last befreit, strahlen jetzt vor lauter Selbstbewusstsein. Klas- senleiterin Katja Schamberger ist vom Mut ihrer Schüler beeindruckt: „Mich würden da keine zehn Pferde rein kriegen.“

Die Rodel wurden dann auf einen Transporter geladen und wieder an den Start gebracht. Drei- mal durfte jeder in die Eisrennbahn. Auch eine Schülerin, die während der gesamte Premiere-Fahrt über aus Angst wie am Spieß brüllte, ließ die vermein- tliche Tortour noch mal über sich er- gehen.

Laura Bauer (1) und Lisa Hutter (2) aus Cham sowie Theresa Lobinger (3) aus Waldmünchen waren die schnell- sten Mädel. Sandro Bauer (1), Mar- kus Holzinger (2) und Josef Weber (3) aus Cham setzten sich bei den Jungs durch. Ob sich künftige Rodelgrößen aus dem Landkreis Cham rekrutieren wird sich zeigen. „Dabei sein ist al- les!“, war das Motto der Bobpiloten aus Jamaika. Das kann man aus Chamer Sicht nur unterstreichen.