von Benjamin Franz-
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Im Dunst der Farbe

Sonntagmorgen. Cham schläft noch. Statt Autolärm hört man nur die Vö- gel pfeifen. Ungestört, weil noch un- entdeckt, macht sich ein junger Mann mit Farbspraydosen am Container des Jugendzentrums zu schaffen. Er trägt ein schwarzes Shirt, ein schwar- zes Baseballcap, schwarze Hand- schuhe und ist mit einer Atemschutz- maske vermummt. Konzentriert, ge- duldig und offenbar ohne Sorge ertapp zu werden wechselt der „Frühaufste- her“ Farbe um Farbe. Anthrazit, gelb,

 
Graffiti im JUZ
Pascal Graf
     
grün oder blau. Das ursprüngliche Rostbraun verliert sich nach und nach. Den einsamen Künstler umgibt nur ein monotones „Pssss“, wenn feiner Farbnebel sich aus seinen Do- sen Bahn bricht. Verliert der farbige Dunst an Deckkraft schüttelt er die blechernen Farbspender. Kugeln klappern dann metallisch, mischen die letzten Reste auf. Leere Farb- dosen landen im Gras. Nachschub steht in Schachteln bereit. „REKS“ in riesigen, kunstvoll verschlungenen Lettern, ist bereits auf der riesigen Containerwand zu erkennen. „REKS“ alias Pascal Graf zieht die Maske vom Gesicht, tritt ein paar Schritte zurück und begutachtet seine Arbeit.
 
     
"Wird wohl noch eine Weile dauern!“, konstatiert er. Dann setzt er den At- emschutz wieder auf, greift sich eine neue Dose und macht sich wieder ans Werk. Den Großraumcontainer in neue Farben zu tauchen, war nur ein Teil der Auftragsarbeit. Tags zuvor hatte der 22jährige Architekturstudent aus Cham Graffiti-Einsteigern im Ju- gendzentrum unter die Arme gegrif- fen. Planung, Entwürfe auf Papier und schließlich die Umsetzung mit Farbe an der Wand. Die Übungswände, braun und aus dünnem Pressspann, standen dann im Freien, zusammen mit reichlich Sprühfarbe, Atemschutz- masken und Handschuhen. Für die meisten war Graffiti absolutes Neu- land und dennoch waren die Kids so- fort im kreativen Arbeitsprozess ge- fangen. Selbst den kurzen Schauer, der über dem Jugendzentrum nieder- ging haben viele, vertieft in den Farb- rausch, gar nicht wahrgenommen. Ist der Zeigefinger noch nicht kräftig ge- nug den Farbdunst elegant mit einer Hand zu entfesseln, dann nimmt man eben beide Hände und drückte das Ventil der Dose mit dem Daumen. „Reks“ der Graffiti-Experte schaute Jedem über die Schultern, stand mit Rat und Tat zur Seite. Den Drang zu immer neuen Kreationen konnte nur finaler Farbmangel Einhalt gebieten. Denn ein großer Teil der angeschaff-
 
ten Dosen war für die Neugestaltung der Containerwand bestimmt. Pascal Graf, präsentierte vorab Entwürfe auf einem DIN-A4 Blatt, wie er sich die acht mal zweieinhalb Meter große Metallwand vorstellen könnte. Das vom den JUZ Verantwortlichen ausge- wählte Asien-Motiv mit Sonnenauf- gang, Bambushain und Pandabär, galt es dann auf die mächtige Seiten- wand zu übertragen. Grob mit weis- ser Farbe skizzierte Pascal Graf dann die einzelnen Bildelemente. Er- staunlich, mit was für einer Selbst- sicherheit der 22jährige dabei das Großprojekt in Angriff nahm. 2004, da war „Reks“ erst 16, hatte er schon mal eine Außenwand am JUZ gestal- ten dürfen, die bis heute nichts an Lebendigkeit und Ausstrahlung ver- loren hat. Der junge Street-Künstler besuchte die „Kreativ-FOS“ in Strau- bing und studiert nun im zweiten Se- mester Architektur in München. „Ille- gal!? Das probiert doch ein Jeder mal.“, räumt Reks ein. „Jetzt spraye ich nur noch im Auftrag, oder an le- galen Flächen“ Weil das Wandbild längst nicht fertig wurde wie ursprüng- lich geplant, ist Pascal Graf am näch- sten Morgen wieder auf dem JUZ-Ge- lände. Akribisch füllt er Fläche um Fläche. Tritt einige Schritte von Con- tainer zurück, um sich Überblick zu verschaffen und korrigiert hier und da
 
schon Fertiggestelltes. Zum Schluss signiert er seine Arbeit. Das riesige Wandbild bringt ein Hauch von Asien in die Kreisstadt. Sein sprayender Panda fühlt sich am Jugendzentrum offensichtlich sehr wohl. Es ist wieder Nachmittag geworden, die Zeit hat er komplett vergessen. „Wenn du dich tief in den Arbeitsprozess versenkst, wird alles drum herum unwichtig.“, sagt er etwas verlegen. Die Auftrag- geber werden sein Werk in den kom- menden Tagen sehen. Er selbst ist zufrieden damit. „Reks“ räumt die leeren Dosen weg, packt alles ins Auto und muss sich jetzt sputen. Schon längst sollte er in München sein.Ob aus den Workshopteilnehm- ern vom Vortag ein ähnliches Talent er- wächst, wird sich zeigen. Das Ju- gendzentrum, mit seinen Trägern, der Stadt Cham, der Katholischen Ju- gendfürsorge und der Christlichen Ar- beiterhilfe, hat schon mal für Starthilfe gesorgt.