von Benjamin Franz-
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Nur der Defiliermarsch fehlte

Wenn Gerhard Polt in die Joseph-von Fraunhofer Dreifachturnhalle einzieht und das Kaberett-Urgestein im Trach- tenjanker auf dem langen Weg zum Podium überschwänglich gefeiert wird, erinnert das entfernt daran wie bayerische Landesväter sich insze- nieren ließen. Statt Maßkrug auf der Bühne bringt Polt aber eine Mineral- wasserflasche mit, auch sitzt das Publikum nicht schon seit Stunden im Bierdunst, sondern hat sich gesit-

 
Toleranz
Schilda Response
Gerhard Polt
     
tet in der Bestuhlung niedergelassen. Polt steht natürlich am Mikrophon, nur die Blasmusik, die den Redner flankiert, nimmt Platz auf der Bühne. Allerdings wird sich der Solist und Klangforscher Ardhi Engl bei seiner Begleitmusik nicht nur auf eine Ski- stocktrompete beschränken. Experi- mente mit ganz unterschiedlichen Instrumenten, oder was kurioserweise dazu gemacht wurde, erwartet das Publikum im Wechsel mit Polts hit- zigen Monologen. „Was ist Toleranz? Toleranz ist doch ein Fremdwort, das ist kein deutscher Begriff.“ Mit einer unglaublich authentischen Echauf- fiertheit schwadroniert er über diesen „Modebegriff.“, mit einer Bühnenprä-
 
     
senz, um die ihn noch lebende bay- erische Ministerpräsidenten beneiden dürften. Er redet sich in Rage, gesti- kuliert wild mit den Händen, kann sich so der gesamten Aufmerksam- keit, in der mit 900 Gästen ausver- kauften Sporthalle sicher sein. Die Pointen bahnen sich auf Umwegen an. Gerhard Polt verstrickt das Pub- likum, tischt liebevolle Charakterzüge auf, in denen sich jeder wieder finden kann, erst dann stimmt die Fallhöhe und zum Finale der Nummer demas- kiert er tiefe Abgründe. Das Publikum brüllt vor Lachen, wenn er seiner Frau versichert, dass sie nicht des Öfteren eine „fangt“ ist doch Beweis genug für seine Toleranz. Musiker Ardhi Engl verschafft dem 68jährigen die nötigen dramaturgischen Auszeiten. Denn brennt die Luft nach Polt´s hitzigen Salven, braucht´s wieder jemanden der das Publikum runterholt. Wenn der Klangforscher seine Gitarre auf den Schoß wie eine Zitter zupft und dazu Nasenflöte spielt, können sich die Gemüter beruhigen. Polt lässt sich in der Zwischenzeit nieder und
 
kann anschließend von neuem eine Figur aufbauen. „Schilda Response GmbH“ hinter diesem Unternehmen steckt ein weiterer „Poltscher“ Schild- bürgerstreich. „Wir übernehmen Ver- antwortung, nicht finanziell natürlich, aber moralisch.“, lässt Polt den pro- fessionellen Sündenbock Herrn Sit- tich sagen. „Stellen sie sich vor in Bayern gäbe es eine Landesbank und nehmen wir mal an, ein Herr Huber hätte gar nicht die Zeit ein Milliarden- loch zu verantworten, das unter sei- ner Regie im Landeshaushalt klafft, dann würden wir das selbstverständ- lich übernehmen.“ Die Lacher des Pu- blikums sind ihm gewiss. „Oh sicher“, sagt er als sich die Halle wieder be- ruhigt. „sie haben recht da ist kein Loch, weil Löcher haben einen Rand.“ Gerhard Polt ist ein Moralist, eine Gewissensinstanz. Dass seine „Pre- digt“ mit zynischem Humor daher- kommt und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger ist ganz sicher sein Er- folgsrezept. In Zeiten wo sich die Kir- chenbänke rasant lichten sind Karten für den Polt - Abend schon Stunden
 
nach Bekanntgabe ausverkauft. Das er Cham mit einem Besuch beehrt, ist Christine Polt zu verdanken. Sie nimmt´s übrigens gelassen, wenn das Wort „Oide“ auf der Bühne fällt. Die Waffenbrunnerin hat einst im Fraunhofer das Abitur abgelegt. Mit dem Gastspiel trifft das Paar, dass sich vor 39 Jahren in Chammünster vermählte, viele alte Bekannte. Der Förderverein des Joseph-von-Fraun- hofer- Gymnasiums pflegt den Kon- takt zu den Polts und hat den Abend erst möglich gemacht. Als Polt nach zwei Stunden wieder vom Podium steigt und unter Beifallsstürmen die Halle verlässt, hat er die Herzen der Chamer Zuschauer längst in der Ta- sche. Was wäre er für ein stattlicher Landesvater.