Studios.
Nein, hier werden nicht die schicken I-Phons montiert, im
Appel Studio wird Musikgeschichte, ge- schrieben und für
die Fans in vordi- gitaler Manier auf Magnetbänder und
Schallplatten konserviert. Nach knapp 42 Min. wird das Konzert
auf dem Dach des Londoner Studios abgebro- chen. Es ist der
letzte gemeinsame Auftritt. 1970 trennt sich die Band. 40
Jahre später in der Chamer Stadt- halle werden auch vier
Musiker aus Liverpool erwartet.
Den
Chamer Verkehr ins Stocken bringt aber allenfalls der ungewöhn-
lich schneereiche Winter. Auch be- sorgte Polizisten und hysterische
Fans sucht man vergebens. Lediglich zwei Feuerwehrmänner
stehen im be- stuhlten Saal bereit, falls es brenz- lich wird
. Auf der Bühne warten drei Mikrophonständer, vier
Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und antiquiert wirkende
Lautsprecher. Eigentlich nicht ungewöhnlich, bis auf
den mar- kanten Bandname, „The Beatles“, der in
schwarzen Lettern auf der weiss bespannten, großen Trommel
prangt. Um präziser zu sein, „The Cavern Beatles“.
Natürlich verirrt sich ein Sir Paul McCartney oder Ringo
Starr nicht in den Bayerischen Wald, auch sind John Lennon
und George Harris- on längst tot. Hier werden heute Ohr-
würmer, Welthits, Klassiker nur stell- vertretend vorgetragen.
Wie befriedi- gend für das Publikum mag das wohl sein?
Auch wenn sich im Chamer Publikum niemand befinden dürfte,
der die Beatles leibhaftig erleben dur- fte, haben sich die
Songs so tief ins allgemeine Bewusstsein gegraben, daß
nahezu jeder ein Experte sein dürfte. Gesittet füllen
sich die Reihen. Gemischtes Publikum, 3 Generatio-
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nen,
einige Zeitgenossen aus den Sechzigern, die Generation nach
den Beatles und erstaunlicherweise auch einige Schüler.
Das Licht auf der Bühne geht an und im Saal aus. Man
hört Interview - Mitschnitte, Liverpool-Englisch, schwer
verständlich, aber die Spannung steigt ungemein. Dann
die Überraschung, auf der Bühne ste- hen plötzlich
bekannte Gesichter. Diese Ähnlichkeit. Als Derek Stratton
alias Paul McCartney das Publikum begrüßt, raunt
selbiges auf.
Stratton
ist offenbar nicht nur Doppel- gänger sondern auch
Stimmenimita- tor. Auch für John Lennon, George Harrison
und Ringo Starr stehen mit Paul Tudhope, Rick Alan und Roy
Hitchen verblüffend ähnliche Double´s auf
der Bühne. Der ersten Song, „I Saw Her Standing
There“ ist überzeu- gend. Das Arrangement, Stimmen
und der Sound, wie man das Original in Erinnerung hat. Endgeisterte
Mitt- vierziger applaudieren frenetisch und schütteln
ungläubig den Kopf. Beat- les Fans ist sofort klar,
hier legt man viel wert aufs Detail. Neben den iden- tischen
Instrumenten haben die Vier, Marotten, Bewegung und Geste
der großen Vorbilder verinnerlicht und bieten die
perfekte Illusion. “Can't Buy MeLove”, “She
Loves You”, “Help!”,
Chronologisch geben die “The Cavern Beatles”
Liedgut zum Besten, dass Ihnen vermutlich schon mit der
Liver- pooler Muttermilch verabreicht wurde. Das Chamer
Publikum singt leise mit, oder bewegt, in blassen Erinner-
ungen schwelgend, die Lippen. Die jüngsten in den Stuhlreihen,
nicht ganz so textsicher und vielleicht nur von den Eltern
mitgeschleift, lassen sich auch anstecken. Das ist hand-
gemachte Musik, virtuos vorgetragen,
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ohne digitale Effekte, ohne Nebelma- schine, ohne Lichtshow.
Bezaubernd, weil es dem entspricht was wir von den „Fab
Four“ im Gedächtnis be- halten haben. Rick Alan
alias George Harrison hat Pilzkopfperücke und Kostüme
der frühen Jahre abgelegt und steht mit Jeans, blauen
Hemd und Gitarre alleine auf der Bühne. Die Melodie,
die er auf den Saiten zupft, „Here Comes The Sun“,
weckt sofort Begeisterung in der Stadthalle. Viele
hält es nicht mehr auf den Stühlen.
Wieder
auf der Bühne vereint reissen „The Cavern Beatles“
mit einem Medley von „Back In The USSR“ bis
zu „Get Back“ auch den Rest auf die Beine. Dann
ist nach zwei Stunden Schluß und John, Paul, George
und Ringo verlassen mit einer Zugabe endgültig die
Bühne. Sie sahen so aus, sangen, spielten und bewegten
sich wie „The Beatles“. Die Feuer- wehr hatten
trotzdem nichts zu tun.
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