von Benjamin Franz-
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The Beatles in the Town

Kurz nach dem die Vier aus Liverpool auftauchten, herrscht blankes Chaos. Der Verkehr bricht zusammen, junge Frauen kreischen sich hysterisch in Ohnmacht und ein riesiges Polizei- aufgebot muss für die Sicherheit der Musiker und der Menschenmassen sorgen. John, Paul, George und Rin- go, die unter dem Bandnamen „The Beatles“ einen bis dahin beispiellosen Bekanntheitsgrad erreichten, spielen auf dem Dach des Londoner Apple

 

Cavern Beatles

John / Paul T.
George / Rick A.
     
Studios. Nein, hier werden nicht die schicken I-Phons montiert, im Appel Studio wird Musikgeschichte, ge- schrieben und für die Fans in vordi- gitaler Manier auf Magnetbänder und Schallplatten konserviert. Nach knapp 42 Min. wird das Konzert auf dem Dach des Londoner Studios abgebro- chen. Es ist der letzte gemeinsame Auftritt. 1970 trennt sich die Band. 40 Jahre später in der Chamer Stadt- halle werden auch vier Musiker aus Liverpool erwartet.

Den Chamer Verkehr ins Stocken bringt aber allenfalls der ungewöhn- lich schneereiche Winter. Auch be- sorgte Polizisten und hysterische Fans sucht man vergebens. Lediglich zwei Feuerwehrmänner stehen im be- stuhlten Saal bereit, falls es brenz- lich wird . Auf der Bühne warten drei Mikrophonständer, vier Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und antiquiert wirkende Lautsprecher. Eigentlich nicht ungewöhnlich, bis auf den mar- kanten Bandname, „The Beatles“, der in schwarzen Lettern auf der weiss bespannten, großen Trommel prangt. Um präziser zu sein, „The Cavern Beatles“. Natürlich verirrt sich ein Sir Paul McCartney oder Ringo Starr nicht in den Bayerischen Wald, auch sind John Lennon und George Harris- on längst tot. Hier werden heute Ohr- würmer, Welthits, Klassiker nur stell- vertretend vorgetragen. Wie befriedi- gend für das Publikum mag das wohl sein? Auch wenn sich im Chamer Publikum niemand befinden dürfte, der die Beatles leibhaftig erleben dur- fte, haben sich die Songs so tief ins allgemeine Bewusstsein gegraben, daß nahezu jeder ein Experte sein dürfte. Gesittet füllen sich die Reihen. Gemischtes Publikum, 3 Generatio-

 
nen, einige Zeitgenossen aus den Sechzigern, die Generation nach den Beatles und erstaunlicherweise auch einige Schüler. Das Licht auf der Bühne geht an und im Saal aus. Man hört Interview - Mitschnitte, Liverpool-Englisch, schwer verständlich, aber die Spannung steigt ungemein. Dann die Überraschung, auf der Bühne ste- hen plötzlich bekannte Gesichter. Diese Ähnlichkeit. Als Derek Stratton alias Paul McCartney das Publikum begrüßt, raunt selbiges auf.

Stratton ist offenbar nicht nur Doppel- gänger sondern auch Stimmenimita- tor. Auch für John Lennon, George Harrison und Ringo Starr stehen mit Paul Tudhope, Rick Alan und Roy Hitchen verblüffend ähnliche Double´s auf der Bühne. Der ersten Song, „I Saw Her Standing There“ ist überzeu- gend. Das Arrangement, Stimmen und der Sound, wie man das Original in Erinnerung hat. Endgeisterte Mitt- vierziger applaudieren frenetisch und schütteln ungläubig den Kopf. Beat- les Fans ist sofort klar, hier legt man viel wert aufs Detail. Neben den iden- tischen Instrumenten haben die Vier, Marotten, Bewegung und Geste der großen Vorbilder verinnerlicht und bieten die perfekte Illusion. “Can't Buy MeLove”, “She Loves You”, “Help!”, Chronologisch geben die “The Cavern Beatles” Liedgut zum Besten, dass Ihnen vermutlich schon mit der Liver- pooler Muttermilch verabreicht wurde. Das Chamer Publikum singt leise mit, oder bewegt, in blassen Erinner- ungen schwelgend, die Lippen. Die jüngsten in den Stuhlreihen, nicht ganz so textsicher und vielleicht nur von den Eltern mitgeschleift, lassen sich auch anstecken. Das ist hand- gemachte Musik, virtuos vorgetragen,

 
ohne digitale Effekte, ohne Nebelma- schine, ohne Lichtshow. Bezaubernd, weil es dem entspricht was wir von den „Fab Four“ im Gedächtnis be- halten haben. Rick Alan alias George Harrison hat Pilzkopfperücke und Kostüme der frühen Jahre abgelegt und steht mit Jeans, blauen Hemd und Gitarre alleine auf der Bühne. Die Melodie, die er auf den Saiten zupft, „Here Comes The Sun“, weckt sofort Begeisterung in der Stadthalle. Viele hält es nicht mehr auf den Stühlen.

Wieder auf der Bühne vereint reissen „The Cavern Beatles“ mit einem Medley von „Back In The USSR“ bis zu „Get Back“ auch den Rest auf die Beine. Dann ist nach zwei Stunden Schluß und John, Paul, George und Ringo verlassen mit einer Zugabe endgültig die Bühne. Sie sahen so aus, sangen, spielten und bewegten sich wie „The Beatles“. Die Feuer- wehr hatten trotzdem nichts zu tun.