Teheran
1979, Prachtstrasse „Pah- lavi“, wie viele Funktionäre
der Monar- chie haben auch die Mahdavis hier ein Domizil.
Doch der Kaiser hat mit seiner Familie das Land schon vor
Wochen verlassen. Aus gesundheit- lichen Gründen wurde
da vorgescho- ben, dabei war es mehr eine Flucht vor den eigenen
Untertanen. Der lan- ge im Exil lebende Ayatollah Khomei-
ni brachte das Volk auf die Strasse. Wütend auf alles
was vom Pfauen- thron begünstigt war, zog die Men- schenmasse
auch zum Wohnsitz von Justine und Massoud Harun-Mahdavi. Söhnchen
Sasan (11) und die vier- jährige Tochter Mona fanden
die Tu- multe vor dem Haus aufregend, bis der Vater die Familie
weg vom Fen- ster auf den Boden ins Bad befahl.
„Schüsse
hagelten, genau auf unser Haus. Wir waren gemeint. Massoud
kroch,Mona mit seinem Körper schüt- zend, zu uns
ins Bad. Ich
würgte die Angst hinunter und weinte leise.“Als
Autorin Justine Harun-Mahdavi, diese Zeilen aus ihrer 2006
fertig gestellten Biografie im Antiquariat am Chamer Marktplatz
vorträgt, rollen ihr wieder Tränen über die
Wangen. Diese Er- eignisse liegen 30 Jahre zurück. Die
Zuhörer in den kleinen Laden sind er- griffen,Frau Mahdavi
ringt mit der Fas- sung. Todesängste und Entsetzten,
das auch nicht abklingen will, als die aufgebrachte Menschenmasse
wieder weiterzieht und die Familie des Te- heraner Bürgermeisters
mit einem Schrecken davon kommt. Dabei
hatte Mitte der Sechziger Jahre alles wie ein Märchen
für die im Rheinland als Kinderkrankenschwester tätige
Jus- tine begonnen. Sie plant Ihren Vater in Inzell zu besuchen.
Bein Zwischen- stopp in München läuft sie hastig
aus dem Hauptbahnhof,will trotz roter Am- pel eine Strasse
passieren. Da fasst sie jemand von hinten
am Arm und
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hält
Justine
zurück.Es ist der in Mün- chen Maschinenbau studierende
Ira- ner Massoud. Bevor sie weiter muss, trinkt sie Kaffee
mit dem attraktiven Perser, ein Jahr später heiraten
die beiden. 1968, Sohn Sasan ist erst 16 Monate alt, beschließt
die kleine Fa- milie in den Iran zu gehen. Die Deut- sche
wird herzlich aufgenommen und kann anfangs Sprachbarrieren
mit Händen und Füßen überspielen. Mas-
soud macht Kariere. Erst als Direktor einer Gewerbeschule,
dann führt er ein Technologie Institut, schließlich
wird er zum Bürgermeister der heilig- en Stadt Mashhad.
1973 besucht die hübsche Frau des Kaisers Fara Diba die
Stadt Mashhad und wird vom Bürgermeister Massoud Harun-Mah-
davi empfangen.
Er
wird Präsident des Handball-Ver- bandes und 1977 schließlich
zum Bürgermeister von Teheran berufen. Bei diesen offiziellen
Anlässen auch immer Justine mit dabei, seine deut-
sche Frau. Für die einstige Kinder- krankenschwester
aus der rheinland-pfälzischen Provinz ein traumhafter
Aufstieg an der Seite ihres Mannes. Wohl wissend, dass auch
die Dikta- tur des Kaisers blutige Schattensei- ten hat,
legte sich Massoud Harun-Mahdavi mit korrupten Gouverneuren
an und muss dafür prompt drei Mona- te ins Gefängnis.
Zeitgleich bereitet der religiöse Führer Ruhollah
Musavi Khomeini im Pariser Exil die islam- ische Revolution
vor, die mit Massen-demonstrationen und Generalstreiks in
Februar 1979 zum Umbruch im Iran führt. Im sich entwickelnden,
funda- mentalen Gottesstadt mit seinen ge- sellschaftlichen
Umwälzungen sehen die Mahdavis keine Zukunft mehr für
sich und gehen nach Deutschland zu- rück. Wenn Justine
Harun-Mahdavi die Erinnerungen vorträgt tut sie das
nicht wie ein Chronist, sondern be-
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schreibt als Mutter und Ehefrau die subjektiven Eindrücke
jener prägen- den Jahre. Neben den Verstrickungen in
historische Ereignisse beschreibt sie in ihrem Buch aber auch
die Herz- lichkeit der Iranischen Bevölkerung, die ihr,
der „Deutschen“ entgegenge- bracht wurde. In Kultur
und Land- schaft Persiens hat sich Justine Harun-Mahdavi ebenso
rasch verliebt, wie in den fremdländischen jungen Mann
der Sie zur Frau nahm. Zurück
in Deutschland machte der Exilpoli- tiker mit seiner Familie
Station in Din- golfing, später ließen sich die
Mahda- vis in Unterschleißheim nieder. Mas- soud fand
eine Anstellung als Inge- nieur bei BMW, Sasan wurde Zahn-
arzt und Mona ist Designerin.
Ehemann
und Sohn haben die Buch- autorin mit nach Cham begleitet
und saßen unter den Lesungsbesuchern. Allesamt
sind politisch sehr aktiv und engagieren sich für die
Menschen- rechte. Immer im Blickfeld die aktu- elle Lage
im Iran. Wie diese in den Medien, leider nicht immer wahrheits-
gemäß, dargestellt wird, war Schwer- punkt der
anschließenden Diskus- sion. „Das Land ist ob
der gewaltigen Ölvorkommen leider zum Spielball der
Supermächte. geworden“, resümiert Massoud
Harun-Mahdavi etwas des- illusiert. Seine Frau schließt
das Buch und legt ihre Lesebrille auf das Cover. Eine junge
hübsche Frau mit dunklem,hochgestecktem Haar,eben-
mäßigen Gesichtszügen und großen Augen
ziert den Titel der 500 Seiten Biografie. Ein Jugendbild
der Rhein- länderin. Sie ist dankbar für die Zeit
im Iran,die oft schön war wie ein Mär- chen aus
tausend und einer Nacht.
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